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Schon als Schüler (1922) interessierte sich Ardenne sehr für die
Naturwissenschaften, insbesondere für die Elektrophysik. Er konstruierte
Modelle eines Fotoapparats und einer elektrischen Alarmanlage, beschäftigte
sich mit Problemen der Rundfunktechnik und erhielt im Alter von 16 Jahren
sein erstes Patent über ein „Verfahren zur Erzielung einer Tonselektion,
insbesondere für die Zwecke der drahtlosen Telegraphie“.
1923 verließ er vorzeitig das Gymnasium und widmete sich der
Weiterentwicklung der Radiotechnik. Siegmund Loewe, der Gründer der
Loewe-Opta Werke, wurde zu seinem Förderer. Mit den Honoraren für seine
Veröffentlichungen und Geldern aus dem Patentverkauf verbesserte Ardenne
1925 den Breitbandverstärker (widerstandsgekoppelter Verstärker) erheblich,
der u.a. die Entwicklung des Fernsehens und Radars entscheidend
voranbrachte. Ein Patent auf diese Verbesserung wurde ihm wegen
Vorveröffentlichung jedoch aberkannt. Im gleichen Jahr schrieb er sich dank
Hilfe aus dem Familienkreis, aber ohne das Abitur erreicht zu haben, an der
Universität in Berlin ein und begann Physik, Chemie und Mathematik zu
studieren. Nach vier Semestern brach er das Studium jedoch wieder ab und
widmete sich ganz seinen privaten Forschungen auf dem Gebiet der angewandten
Physik.
Ehemaliges Forschungslaboratorium für Elektronenphysik in
Berlin-Lichterfelde, heute Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung (Villa
Folke Bernadotte).1928 wurde Manfred von Ardenne volljährig und gründete das
Forschungslaboratorium für Elektronenphysik in Berlin-Lichterfelde, das er
bis 1945 leitete. In dieser Zeit war Ardenne u. a. an der Entwicklung des
Fernsehens mit Leuchtfleck-Zeilenabtastung und zeilenweiser Wiedergabe mit
einer Braunschen Röhre, an der Erfindung des Rasterelektronenmikroskops
sowie an der Radarentwicklung und atomaren Arbeiten beteiligt.
Die weltweit erste vollelektronische Fernsehübertragung mit
Kathodenstrahlröhre gelang Manfred von Ardenne Weihnachten 1930. Zur
Funkausstellung in Berlin führte er 1931 das erste vollelektronische
Fernsehen vor, mit dem er es bis auf das Titelblatt der New York Times
schaffte. Mitte des 20. Jahrhunderts gingen eine Vielzahl bedeutender
Erfindungen auf den Gebieten der Funk- und Fernsehtechnik und der
Elektronenmikroskopie auf die Arbeit seines privaten Forschungsinstitutes
zurück.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Institut von Manfred von Ardenne und dem
Reichspostministerium unter Wilhelm Ohnesorge ist noch nicht in allen
Einzelheiten aufgearbeitet. Hier sei besonders auf die Entwicklung eines
elektromagnetischen Massentrenners (eine Art präparatives Massenspektrometer)
für Uran hingewiesen, dessen Prototyp wahrscheinlich 1943 auf einem
Luftwaffenstützpunkt in Bad Saarow aufgebaut wurde.[1] Auch die Entwicklung
eines Lithium-Trenners im Jahre 1945 wurde noch nicht umfassend
erforscht.[2] Sie könnte allerdings auf die bislang noch kontrovers
diskutierte Entwicklung einer thermonuklearen Bombe im Dritten Reich
hinweisen, für die 6Li ein Grundstoff ist.
Hingewiesen werden soll noch auf die kurzzeitige Zusammenarbeit von Ardenne
mit Fritz G. Houtermans im Jahre 1941. Während dieser Zeit schrieb
Houtermans Zur Frage der Auslösung von Kern-Kettenreaktionen (August 1941).
Die Forschungsarbeit gibt explizit die Gewinnung von Plutonium an und seine
Vorteile als Kernspaltstoff gegenüber Uran-235. In einem späteren Schreiben
weist von Ardenne 1987 nochmals auf die Arbeit von Houtermans hin und fügt
auch die Namen an, an die die Forschungsarbeit 1941 verteilt worden ist. Als
Motiv gibt er an, dass sich niemand aus dem Kreis der deutschen Kernphysiker
nach dem Krieg an diesen Forschungsbericht erinnern wollte.
Von 1945 bis 1954 arbeitete von Ardenne, gemeinsam mit anderen deutschen
Technikern und Wissenschaftlern zwangsverpflichtet,[2] an der Entwicklung
der sowjetischen Atombombe mit.[3] Mit dem in Berlin gegründeten
Forschungslaboratorium für Elektronenphysik zog er nach Sochumi in
Abchasien, Georgien um, wo der NKWD am 27. Juli 1945 ein
Physikalisch-Mathematisches Institut eröffnet hatte.[4] Dort entwickelte er
einen magnetischen Isotopentrenner und eine Duoplasmatron-Ionen-Quelle. 1953
erhielt er für seine Mitarbeit an der Bombe den Stalinpreis.
Nach seiner Rückkehr aus der Sowjetunion unterhielt Ardenne in der DDR ein
nach ihm benanntes Forschungsinstitut auf dem Weißen Hirsch in Dresden, wo
er auch in einem Haus lebte, das die Regierung der DDR zuvor enteignet und
ihm dann überlassen hatte. Es entwickelte sich zum größten privaten
Forschungsinstitut des gesamten Ostblocks – mit rund 500 Mitarbeitern.
Stellvertretender Direktor des Institutes war seit 1965 Prof. Siegfried
Schiller.
Außerdem war von Ardenne Professor für elektronische Sonderprobleme der
Kerntechnik an der Technischen Universität Dresden. Er wurde zweimal mit dem
Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Insgesamt besaß er etwa 600 Patente.
Auf dem Gebiet der Medizin entwickelte von Ardenne zwei unterschiedliche,
teilweise kombinierte Therapien. Die umstrittene
Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie soll das Befinden und die Vitalität
verbessern. Aktuell wird Sauerstoffmangel auch als Ursache für die
Entwicklung der Alzheimer-Krankheit diskutiert.[5] Die sogenannte
systemische Krebs-Mehrschritt-Therapie zur Krebsbehandlung, bei der der
Krebs und die Metastasen durch Hyperthermie (Überwärmung) ggf. in
Kombination mit einer Chemotherapie in mehreren Behandlungsstufen bekämpft
werden sollte. Von Ardenne war der Erste, der die Hyperthermie zur
Krebsbekämpfung einsetzte. Da dieses Verfahren sehr anstrengend ist, setzte
er zur Unterstützung der Patienten während der Behandlung Sauerstoff ein.
Von Ardenne war unter anderem Mitglied der Internationalen Astronautischen
Akademie in Paris und Volkskammerabgeordneter. Bei der Volkskammersitzung am
13. November 1989 entwickelte er eine originelle Theorie für eine
Sozialistische Marktwirtschaft, die er aus der Systemtheorie begründete und
die mit der Aufforderung zur Dezentralisierung der Wirtschaft begann.
Von Ardenne war Autor der Physik-Monographie Tabellen zur angewandten
Physik, erschienen im Deutschen Verlag der Wissenschaften (1964), des Werkes
Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie und vieler anderer Bücher und Publikationen.
Er war außerdem seit dem 26. September 1989 Ehrenbürger der Stadt Dresden.
Seit 1938 war er mit Bettina Bergengruen verheiratet.
Manfred von Ardenne starb 1997 in Dresden. Sein Grab befindet sich auf dem
Waldfriedhof Weißer Hirsch. |