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Der US-Geheimdienst NSA
forsch einem aktuellen Bericht zufolge an einem Quanten-Computer - einem
Superrechner, der mit exorbitanter Rechenleistung selbst „unknackbare"
Verschlüsselungen in kurzer Zeit lösen könnte. Die Forschung ist demnach
Teil eines fast 80 Millionen Dollar umfassender Programms -des Geheimdienste
zum „Angreifen harter Ziele", wie die Zeitung „Washington Post 'gestern
berichtete. „Freie Presse beantwortet wichtige Fragen. |
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National Security Agency
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Warum rechnet ein herkömmlicher Computer nur langsam? Heute
gebräuchliche Computer sind reine Additionsmaschinen und basieren auf
Halbleiter-Transistoren, die als elektronische Schalte funktionieren. Diese
kennen nur die Zustände „ein" und „aus" - mit einem Schalter, dem so
genannten Bit, lässt sich so nur eine einstellige Binärzahl darstellen. (Zum
Vergleich Im Dezimalsystem lassen sich mit einer Stelle die Zahlen 0 bis 9
darstellen.) Bedeutet: Bereits für die Zahlen 2 und 3 braucht ein Computer
zwei Schalter, mit drei Stellen sind die Zahlen 4 bis 7 darstellbar. Der
Kniff an den Transistor-Schaltern ist aber, dass „ein" und „aus" nicht wie
bei Lichtschaltern verschiedene Knopfstellungen sind: Entweder liegt eine
Spannung an oder nicht - diese beiden Zustände können per Verdrahtung direkt
weitere Halbleiter ansteuern. Mehrere Transistorengruppen lassen sich so zu
so genannten Rechengattern verschalten und können die Operationen so schnell
ausführen wie der elektrische Strom fließt. Hier liegt allerdings auch der
Haken: So sind nur wenige Rudimentär-Operationen (die UND-Addition sowie
zwei verschiedene s ODER-Additionen) möglich. Um größere Zählen zu
verarbeiten oder zu subtrahieren und multiplizieren, sind mehrere Schritte
nötig, die in Routinen programmiert werden müssen und Zwischenspeicher
benötigen. Selbst simple Aufgaben wie Wurzelziehen arten so schnell zu
Mini-Programmen mit bis zu hundert Programmschritten aus. Moderne Computer
werden schnell, weil man in ihren Prozessoren viele Millionen Rechengatter
aus mikroskopischen Transistor-Schaltern unterbringt, die sehr viele solcher
Mini-Programme extrem schnell erledigen: Jedes Computerprogramm t muss für
die Verarbeitung im Prozessor in eine Unzahl solcher Unterschritte „zerlegt"
werden. |
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Was ist an einem Quanten-Computer anders? Quantencomputer arbeiten im Kern
zwar auch mit Schalter-Bits - diese basieren aber nicht auf herkömmlicher
Physik („Spannung ein" oder „Spannung aus"), sondern arbeiten im atomaren
Bereich der Quantenmechanik. Quanten, etwa einzelne Elektronen oder
Photonen, sind als Elementarteilchen eine Art Mittelding aus Materie und
Energie, die sowohl Eigenschaften von Körpern als auch Energiewellen haben.
Sie können als Einzelschalter parallel zu den Zuständen „ein" und „aus"
zahlreiche Zwischenpositionen „ausdrücken". Ersetzt man herkömmliche Bits
durch solche so genannten Qubits, sind theoretisch in den Elementar-Routinen
eines Prozessors statt einfacher Addition bereits komplexe Rechenabläufe
denkbar. Salopp gesagt: Für einen Quantencomputer wären bestimmte Probleme
der höheren Mathematik so unmittelbar und simpel lösbar wie für einen
heutigen Prozessorchip eine Addition zweier Zahlen zwischen 1 und 100. |
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Er wäre damit unvorstellbar potenter als ein heutiger Computer. Wie weit
sind die Forscher? Quanten-Bits lassen sich im Gegensatz zu den simpel
verdrahteten Transistoren nur extrem aufwändig schalten. Experimente etwa in
Deutschland, der Schweiz oder den USA arbeiten bislang nur mit wenigen
Qubits. Eine besondere Herausforderung ist es, dass die Teile
außerordentlich anfällig für äußere Einflüsse und damit für grobe Fehler
sind. Dazu kommt: Für eine praktische Anwendung müsste quasi die komplette
Software neu erfunden werden, um alle Programmanforderungen für das
„Quantenrechnen" zu zerlegen. |
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Wozu braucht die NSA solche Super-Rechner? Verschlüsselung
basiert auf mathematischen Algorithmen und lässt sich im Prinzip durch
„Ausprobieren" knacken. Manche Codes sind derzeit nur sicher, weil das mit
einem herkömmlichen Computer Milliarden Jahre dauern würde. Die
Rechenleistung eines Quantencomputers könnte dagegen nur wenige Stunden oder
Tage benötigen. |
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Müssen sich Computer-Nutzer Sorgen machen? Ja! Jedenfalls,
wenn die NSA wie kürzlich bekannt geworden Spionagesoftware in die
elementare BIOS-Software oder die werksseitigen Treiber von Festplatten
pflanzt. In dem Fall nützt es nämlich nicht einmal etwas, zur „Desinfektion"
allen Speicher zu löschen, neu zu formatieren und das Betriebssystem frisch
zu installieren - der Privatmensch ist aktuell auch ohne
Quanten-Computer-Angriffe eher wehrlos. Anders sieht es dagegen beim
Ausspähen von Regierungen oder großen Unternehmen aus, die ihre
Computersysteme besonders absichern - für deren politische, militärische,
wirtschaftliche, professionelle Geheimhaltung könnten solche Geräte in einem
Jahrzehnt durchaus eine Bedrohung darstellen - so lange kann es nach
Expertenschätzungen dauern, bis erste Quantencomputer einsatzfähig genug
sind. (tim/mit dpa) |