Renaissance - Sandro Botticelli - „La Primavera“ um 1482 - 203 × 314 cm Florenz, Uffizien |
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Letztmalig dran rumgefummelt: 03.04.06 09:38:05 |
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Die Geburt der
►Venus: Ein Bild der Ankunft Die bekanntesten Gemälde sind oft die unerkanntesten, das gilt auch für das heute in Florenz in den Uffizien befindliche, 172,5 x 278,5 cm messende und mit Tempera auf Leinwand gemalte Bild Sandro Botticellis, das unter dem Namen Geburt der Venus berühmt geworden ist, eigentlich aber die Ankunft der Liebesgöttin auf der Insel Zypern darstellt. Diese, in der nachantiken Kunst berühmteste Darstellung der Venus ist weniger gut dokumentiert als Botticellis Bild des Frühlings. Wir wissen lediglich, dass sich die Geburt der Venus in der Mitte des 16. Jahrhunderts zusammen mit der Prunavera im Besitz der Nachfahren Lorenzo di Pierfrancescos und Giovanni di Pierfrancescos befand. Bekannt sind seit geraumer Zeit auch die dem Gemälde zugrunde liegenden literarischen Quellen und künstlerisch-formalen Vorbilder, doch hat man andererseits noch nicht einmal die wenigen Details des Bildes zusammenhängend und überzeugend zu deuten vermocht. Auch über den Auftraggeber herrscht noch keine vollständige Klarheit. Allerdings verweisen die blühenden Orangenbäume im Hintergrund und die Provenienz des Bildes auf einen Besteller aus dem Kreis der Medici. Es ist zudem eher unwahrscheinlich, dass eine weniger bedeutende Familie in Florenz ein profanes Werk dieser Größenordnung bestellt hätte. |
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1. Bilddeutung 2. Bildbeschreibung mit Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund 3. Komposition mit Format, Gestaltungsregeln sowie Hauptbewegungslinien 4. Farbe mit den Schwerpunkten: Farbauftrag, Kontraste sowie psychologischer Wirkung 5. Verbindung zur Zeit, Stil und Epoche 6. Weblinks |
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Geburt der Venus, um 1480 Tempera auf Leinwand, 203 × 314 cm, Uffizien, Florenz |
1. Bildbedeutung |
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Wesentlich komplizierter als die Deutung von Mars und Venus gestaltet sich das Verständnis der Primavera Botticellis. Allein schon aufgrund der größeren Anzahl der Figuren, die zu identifizieren sind, scheinen sich mehrere Möglichkeiten zu ergeben, hinzu kommen die zahlreichen Interpretationen des Bildes, die eher zur Verwirrung als zu einem eindeutigen Verständnis geführt haben. Giorgio Vasan machte sich die Sache noch vergleichsweise einfach, wenn er in dem Gemälde eine von den Grazien mit Blumen geschmückte Venus und hierin den Frühling zum Ausdruck gebracht sah." Viel mehr als die außerordentliche Anmut des Bildes kommentierte er jedoch nicht. Lediglich eine weitere Information steuert er bei, die letztlich nur für Konfusion gesorgt hat und auf der fast alle bisherigen Interpretationen basieren. |
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Vasari nämlich nennt als gemeinsamen Aufbewahrungsort der Primavera Botticellis und seiner Geburt der Venus einen Saal im Landhaus der Medici in Castello. Hieraus hat man bis vor kurzem den Schluss gezogen, dass die Gemälde zusammen für die Ausstattung eines ländlichen Refugiums der Auftraggeber gemalt worden seien, dass sie demselben Deutungszusammenhang angehören und dass besonders die Primavera im Kontext dieses ländlichen Anbringungsortes als bildlicher Ausdruck des antiken Bauernkalenders verstanden werden müsste. Aufgrund des Studiums von Haushaltsinventaren der Medici haben sich allerdings die Voraussetzungen für jede Interpretation der Primavera grundlegend verändert: Das Gemälde befand sich ursprünglich im Stadthaus der jüngeren Medicilinie in Florenz, dort im Schlafzimmer Semiramide Appianis, die im Sommer 1482 nach etwa dreijährigen Hochzeitsverhandlungen Lorenzo di Pierfrancesco de' Medici geehelicht hatte. Der Vermittler dieser politisch sehr wichtigen Hochzeit war der Vormund des noch minderjährigen Bräutigams, Lorenzo il Magnifico de' Medici (Lorenzo der Prächtige, der auch als Auftraggeber des Gemäldes gilt." Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse hat jede weitere Deutung des Bildes zu erfolgen. |
2. Bildbeschreibung mit Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund |
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Das querformatige, mit Tempera auf Holz gemalte Gemälde mit den Maßen 203 x 314 cm gilt als das größte Tafelbild mythologischen Inhalts aus dem 15. Jahrhundert. Es zeigt eine blumenbestandene Wiese, dahinter einen schattigen Hain zahlreicher schlanker Bäume und beherbergt neun Personen, darunter einen Knaben, der rechts der Bildmitte über dem Geschehen schwebt. Links im Bild erscheint ein junger Mann, gekleidet in ein rotes Gewand und versehen mit einem Schwert, das an einem Gurt an seiner Hüfte hängt. Sein rechter erhobener Arm hält einen Stab. Neben ihm erblickt der Betrachter drei junge Damen, die durchsichtige Gewänder tragen und sich gegenseitig an den Händen halten. Dann folgt etwa in der Mitte des Bildes eine weniger leicht bekleidete, ebenfalls junge Frau, die ihre rechte Hand in einem merkwürdigen Gestus erhebt. Der über ihr schwebende geflügelte Knabe ist ausgestattet mit Pfeil und Bogen, seine Augen sind verbunden. An die zentrale Frauenfigur schließt die Darstellung einer weiteren, nun nach vorne leicht ausschreitenden Dame an, deren Kleid mit zahlreichen Blumen geschmückt ist. Sie greift in eine mit Blumen gefüllte Falte ihres Gewandes. Neben ihr erkennen wir eine junge Frau, gekleidet in ein durchsichtiges weißes Gewand. Sie scheint auf ihre Nachbarin zuzuschreiten, wendet ihren Kopf aber gleichzeitig der am rechten Bildrand befindlichen Person zu, offenbar einem Mann, der seine Backen aufbläst und aus den Büschen und Bäumen des Mittelgrundes heranzuschweben scheint. |
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Ein Betrachter vermag in der hier beschriebenen Konstellation verschiedener
Figuren wohl einen Teil des mythologischen Personals zu identifizieren, aber
die Bedeutung des Ganzen bleibt ihm ohne die Kenntnis der zugrundeliegenden
Texte verschlossen. Es gibt kein naives Verständnis, kein unschuldiges Auge
wäre in der Lage, zu einer vollständigen Identifizierung des Bildpersonals
ohne die vorherige Lektüre literarischer Quellen Entscheidendes beizutragen
(siehe Quellenanhang. Ein vorgebildeter Betrachter würde zunächst
beobachten, dass der am linken Bildrand plazierte junge Mann an seinen Füßen
mit Flügeln versehenes Schuhwerk trägt und mit dem schlangenumwundenen Stab
in seiner linken Hand in eine Ansammlung von Wolken oder Nebelschwaden
stößt. Es ist mit diesem Gestus allem Anschein nach die Zerteilung oder
Vertreibung dieser Wolken gemeint. Der schlangenumwundene Stab (auch
Heroldsstab oder Caduceus genannt und das flügelbewehrte Schuhwerk lassen
eine eindeutige Identifizierung dieser Gestalt als Merkur, Sohn des Jupiter
und der Nymphe Maia, zu. Der als Götterbote sowie als Gott der Kaufleute und
Diebe bekannte junge Mann gilt auch als Vertreiber der Winterwinde und Bote
des Frühlings. Detailliertere Informationen über das diesbezügliche Wirken
Merkurs und über seinen Schlangenstab finden sich an prominenter Stelle,
nämlich in der Aeneis des Vergil, wo er als Gott beschrieben wird, der mit
eben jenem Stab die Winde oder Wolken (nubila) zerteilt (Quellenanhang i).
Für die Detailgestaltung der Primavera ist vor allem die letzte Zeile aus
dem entsprechenden Abschnitt der Aeneis entscheidend, in der Vergil von den
zerteilten Wolken spricht: »Fassend den Stab, zerteilt er die Winde und
schwebt durch die trüben Nebel«. Allein bei Vergil und in keiner anderen
klassischen Quelle wird die Zerteilung der winterlichen Nebel durch Merkur
geschildert. Mit der Gestaltung Merkurs und seines Schlangenstabes spielt
Botticelli also eindeutig auf die Vertreibung der Winterwinde und damit auch
auf den Beginn des Frühlings an. Ebenso unzweideutig wie die Identifizierung Merkurs ist die des fliegenden Knaben; es handelt sich um Amor, deutlich erkennbar an seiner Ausstattung mit Bogen, Pfeil und Köcher sowie an seiner Augenbinde. Amor (bei den Griechen Eros, der Sohn von Mars und Venus, gilt als Gott der leidenschaftlichen Liebe, wie ihn zum Beispiel Apuleius in der Geschichte von Amor und Psyche beschreibt (Abb. S. 41). Dort schildert der antike Autor den »geflügelten Sohn« der Venus als einen »dreisten Tollkopf, der aller Zucht und Ordnung mit seinen schlechten Scherzen nur spottet und mitten in der Nacht, mit Flammen und Pfeil bewaffnet, sich in fremde Häuser schleicht, alle Ehen zerstört, ungestraft die größten Schandtaten verübt und jedenfalls ein regelrechter Tunichtgut ist«." Die direkt unter Amor plazierte junge Frau ist seine Mutter Venus, die Göttin der Liebe und der Schönheit. Die Identifizierung der rechts neben Venus tanzenden Figurengruppe wird vor allem aufgrund ihrer Dreizahl möglich. Es handelt sich um die drei Grazien, die oft zusammen mit Venus und ihrem Führer Merkur auftauchen. Auch die Gestaltung ihrer luftigen weißen Gewänder bestätigt diese Identifizierung, denn sowohl in einer antiken Quelle, in Senecas >De beneficiis<, als auch in der Kunsttheorie des Quattrocento, in Leon Battista Albertis Malereitraktat, werden die Grazien als ein Reigen leicht bekleideter Mädchen beschrieben, die eine Stimmung von Schönheit und Anmut verbreiten (Quellenanhang z-3). Die exakte Zusammenstellung der von Venus mit Amor, den drei Grazien und Merkur gebildeten Personengruppe findet sich in einer bekannten Ode des römischen Dichters Horaz, der dort im zweiten Vers nicht nur dieselben Figuren, sondern ebenso deren gelöste Gewänder nennt (Quellenanhang 4). Schwieriger als die Identifizierung Merkurs, der drei Grazien, der Venus und Amors ist die korrekte Benennung der Personen auf der rechten Seite. Doch Bilder wollen verstanden werden, und daher schmückte Botticelli die rechts neben Venus leicht nach vorn ausschreitende junge Frau mit unzähligen, symbolisch gemeinten Blumen und Blüten. Sie bedecken ihr Gewand, bekränzen ihr Haar und umrahmen den Ausschnitt ihres Kleides, umgürten ihre Taille und finden sich in einer Gewandfalte vor ihrem Unterleib. Sie korrespondieren mit den ebenso zahlreichen Blumen der Wiese, auf der sich das Bildgeschehen abspielt, und legen die Vermutung nahe, dass es sich bei der jungen Frau um Flora handelt. Diese altitalische Göttin der Blumen und Blüten, des Frühlings und der »guten Hoffnung« der Frauen wird in einem bekannten philosophischen Lehrgedicht von Lukrez, >De natura rerum<, zusammen mit Venus, Amor (»der Venus flügeltragender Herold« und einem weiteren Gott, Zephyr, genannt (Quellenanhang 5). Auch die Informationen aus dieser Quelle benutzte Botticelli, verbindet sie doch das Personal der linken Bildhälfte mit dem der rechten. Die Frühlingsgöttin Flora verdankt ihre Existenz einer Metamorphose. Ursprünglich war sie die unter dem griechischen Namen bekannte Nymphe Chlorfis, bis sie der wärmende Frühlingswind in Gestalt des Windgottes Zephyr berührte. Diese Metamorphose wird in den Fasten oder Fasti Ovids geschildert, einer Versbeschreibung der Monate des römischen Kalenders: Die jungfräuliche Nymphe Chloris irrt während des Frühlings in der freien Natur umher; als Zephyr sie erblickt, flieht sie vor ihm, doch er ist stärker und raubt sie Quellenanhang 6). Mit der Berührung durch Zephyr verwandelt sich die Nymphe schließlich in Flora und haucht Blumen aus ihrem Mund - eine Angabe, die Botticelli in seinem Bild direkt umsetzt, ebenso wie das Motiv der Flucht und der Berührung. Zephyr am rechten Bildrand wird zudem durch die aufgeblasenen Backen und die Flügel sowie durch die sich unter ihm beugenden Bäume als Wind gekennzeichnet. Und auch die überaus zahlreichen Blumen im Bild Botticellis finden sich bereits in der Beschreibung Ovids. Weitere Quellen ließen sich zu einer vertiefenden Bilderklärung anführen." So geht möglicherweise der in Botticellis Gemälde dargestellte brennende Pfeil Amors auf Angelo Politian zurück, denn in dessen »Stanze per la Giostra« wird die Bewaffnung des eifrigen Knaben in ähnlicher Weise beschrieben. Ebenfalls mit Politfans >Rusticus< sowie mit Albertis Malereitraktat (Quellenanhang 3) und Senecas >De beneficüs< (Quellenanhang 4) hat man die Stimmung des Gemäldes in Verbindung gebracht, also mit Botticellis Darstellung der im Reigen tanzenden Grazien und der sich sacht bewegenden Gewänder, deren Detailgestaltung zudem an die Schilderung ähnlicher Motive in der zeitgenössischen Dichtung erinnert.` Möglicherweise spielt auch die von Martianus Capella um 400 verfaßte Schrift über die Hochzeit zwischen der Philologie und Merkur eine Rolle, denn dort wird auch die Funktion dieses Gottes als Verkünder des Frühlings und Garant von Fruchtbarkeit beschrieben - ein Motiv, das Botticelli in dem rechts neben Merkur zu Boden rieselnden Pflanzensamen dargestellt hat (vgl. Abb. S. 36)." Doch reichen letztlich die oben ausführlicher vorgestellten Quellen, Vergil, Lukrez, Horaz und Ovid, zur eindeutigen Identifizierung des Bildpersonals und zu einer angemessenen Erklärung des Bildinhalts vollkommen aus. Die Komposition der Primavera und die Zusammenstellung des Bildpersonals ist also weitgehend durch eine bunt zusammengewürfelte Sammlung von Textfragmenten bestimmt. Nur sehr wenige prominente Bilder basieren auf einer vergleichbaren Kombination literarischer Quellen. Sogar deren Gewichtung hinsichtlich ihrer Relevanz für die Bildaussage scheint möglich. Tatsächlich zeigt die linke Seite des Bildes bis zu Venus und Amor wenig mehr als die Aufreihung miteinander kaum verbundener Figuren. Rechts dagegen entfaltet sich eine ungleich größere Dynamik, die Figuren sind in zwei Fällen in Bewegung, in einem Fall wechselt eine der Personen sogar ihre Identität. Dieses Gefälle zwischen einer vergleichsweise statischen Bildseite links und einer aktiveren Seite rechts findet sich auch in den zugrundeliegenden Quellen, denn die für die rechte Bildseite maßgebliche Beschreibung in den Fasten Ovids gibt ein lebhafteres und dramatischeres Geschehen wieder als die Textstellen aus Horaz, Vergil und Lukrez. Der Abschnitt aus den Fasten Ovids ist also insofern die wichtigste Quelle, als er im Gegensatz zu den anderen Texten neben einer bloßen Nennung der wichtigsten Personen auch eine Beschreibung der entscheidenden Handlung des Bildes enthält. Diese in den Fasten erläuterte und von Botticelli dramatisch inszenierte Metamorphose der Nymphe Chloris zu Flora gibt deutliche Hinweise darauf, daß das Bild mit einer Vermählung zu tun hat: Zephyr macht Chloris, die einst jungfräuliche Nymphe nämlich nicht nur zur Flora, zur Frühlingsgöttin, sondern gleichzeitig auch zu seiner Gattin - so der zugrundeliegende Text des Ovid. Damit ist eindeutig die Hochzeit selbst thematisiert. Ovid nennt in dem ausgewählten Textabschnitt zudem die Mitgift, die von der Braut in die Ehe eingebrachten Sach- und Geldleistungen, die im Florentiner Quattrocento das wichtigste Statussymbol einer Heirat darstellten. Er beschreibt auch den erblühenden Garten als Metapher der Fruchtbarkeit, eine Eigenschaft, die von der Braut in der Ehe erwartet wurde. Im weiteren Verlauf des Textes bemerkt Flora schließlich, Zephyr mache ihre gewaltsame Eroberung (rapina) in seiner Rolle als fürsorglicher Gemahl wieder gut; in seinem Ehebett habe sie keinen Grund zur Klage, sie erfreue sich nun ewigen Frühlings, auf den Landgütern ihrer Mitgift habe sie einen wunderschönen Garten, dort sei immer alles grün, die Bäume wie die Wiesen, denn diesen Garten erfülle der Gatte mit blühenden Blumen, und sie, Flora, sei zur Herrin über diese Blumen- und Blütenpracht auserkoren. Der dem Bild zugrundeliegende Text spielt somit in mehrfacher Weise auf die Hochzeit an, ja sogar auf den damals häufigen Umstand, daß die Braut bei der Wahl des Gatten wenige oder gar keine Mitbestimmungsrechte hatte und daher ihre Verheiratung als einen gewaltsamen Akt (rapina) hätte empfinden können." Daß die Primavera als Hochzeitsbild entstand, belegen nicht nur die dem Gemälde zugrundellegenden Quellen, sondern auch die oben genannten Erkenntnisse über den ursprünglichen Bestimmungsort des Bildes, den alten Stadtpalast der Medici in der Via Larga in Florenz. Dort, in einer »camera« neben dem Zimmer Lorenzo di Pierfrancesco de' Medicis, befand sich das Gemälde integriert in den oberen Aufbau eines »lettuccio«, eines größeren Bettes, das tagsüber als Ruhe- und nachts als Schlafstätte der Braut diente. Bei der Primavera handelt es sich somit um ein Bild für das Gemach der Braut. Es gehört typologisch zu den sogenannten lettuccio-Bildern, im weiteren Sinn auch zu den Gemälden für »spalliere«, für hölzerne Wandverkleidungen, die wiederum in der Tradition dekorativer Freskierungen von Profanräumen standen. Der konkrete Anlass der Bestellung war die bereits erwähnte Hochzeit zwischen Lorenzo di Pierfrancesco de' Medici und Semiramide Appiani. Auf der bisherigen Argumentation aufbauend kann man auch eine eindeutige Zuordnung der »dramatis personae« des Bildes vornehmen: Mit Zephyr war der Bräutigam, Lorenzo di Pierfrancesco de' Medici, gemeint und mit Flora die Braut, Semiramide Appiani, denn beide werden in Ovids Fasten als Gatte und Gattin genannt. Allerdings sind die hier vorgeschlagenen Identifizierungen nicht unbedingt im Sinne einer bildnishaften Ähnlichkeit zu verstehen, sondern als allegorisierende Porträts, deren Wirkung weniger auf eine physiognomische Wiedererkennbarkeit zielte als vielmehr auf eine unmittelbar nachvollziehbare Zuordnung der Personen und ihrer Rollen, wie sie der genannte Text Ovids und die historische Situation zur Zeit der Hochzeit ermöglichten. In diesem Sinne besteht vielleicht auch eine Verbindung zwischen Merkur und Lorenzo il Magnifico, dem Arrangeur der Hochzeit. Man könnte nämlich Merkur, den Anführer der Grazien und Vertreiber der winterlichen Nebel, mit Lorenzo il Magnifico identifizieren, denn der hatte im übertragenen Sinn das für die Hochzeit günstige Klima geschaffen, ebenso wie dies Merkur mit der Vertreibung der Winterwinde im Bild erreichte. Tatsächlich weisen die Züge Merkurs eine gewisse Ähnlichkeit mit Botticellis Porträt des Mannes mit der Cosirno-Medaille auf, das kürzlich als ein idealisierendes Bildnis des jugendlichen, noch nicht von den Schlägen des Schicksals gezeichneten Lorenzo il Magnifico gedeutet worden ist. Physiognomische Übereinstimmungen ergeben sich vor allem im Bereich der unregelmäßigen Nase, der hohen Wangenknochen, der bereits etwas eingefallenen Wangen und der vollen Lippen. Die Ikonographie von weiblicher Tugend und Hochzeit Venus gilt nicht allein als Göttin der Liebe und Schönheit, sondern auch als schützende Gottheit der Eheschließung." So umgibt Botticelli sie mit Zweigen der Myrte, einem traditionell mit Hochzeit und Kindgeburt, aber auch mit sexuellem Verlangen assoziierten Gewächs.` Das in der zentralen Figur von Botticellis Primavera artikulierte Thema ist also das der Sexualität, wie sie nach der Hochzeit und in der Ehe idealerweise gelebt werden sollte. Nuancen dieses Themas finden sich auch in weiteren Details. So erscheint die Liebesgöttin der Primavera - wie ja schon in Botticellis Gemälde mit Mars und Venus - nicht nackt, sondern vergleichsweise wohl gekleidet. Als Typ ist auch hier eine keusche Venus gemeint, die nicht etwa außereheliche Lust und entfesselte Sinnlichkeit, sondern - im Sinne der neugegründeten Familie - eine regulierte und produktiv im Rahmen der Ehe entfaltete Fruchtbarkeit symbolisiert.' Mit diesem scheinbaren Paradox keuscher Fruchtbarkeit greift Botticellis Primavera ein beliebtes Thema der seinerzeit für Hochzeiten bestellten Kunstwerke auf. So thematisieren z. B. die von Botticelli und seinen Gehilfen angefertigten »spalliera«-Tafeln mit der Geschichte von Nastagio degli Onesti u.a. die Vorstellung, daß die sexuelle »Verausgabung« nur im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft und im Hinblick auf die Zeugung von Nachkommen akzeptabel sei. Im Sinne einer durch eheliche Keuschheit gemäßigten sexuellen Lust ist auch das von einer Mondsichel umfasste Amulett der Liebesgöttin zu verstehen . Die Mondsichel galt traditionell als das Attribut der enthaltsamen Diana, der Göttin der Jagd, die sich allem Liebeswerben widersetzte, ja sogar ihren eigenen Körper mit Schmutz und Kot beschmierte, um allzu stürmische Verehrer abzuschrecken. Dieser Tradition entsprechend konnte die Mondsichel in der bildenden Kunst als Keuschheitssymbol verstanden werden. Beispiele hierfür finden sich in der Malerei des 15. Jahrhunderts allgemein und besonders prägnant auf einer Medaille Pisanellos (Abb. oben. So stellt der Künstler auf der Rückseite seiner Porträtmedaille der Cecilia Gonzaga eine sitzende Mädchengestalt dar, vermutlich erneut Cecilia selbst, deren Jungfräulichkeit und Keuschheit durch die Anwesenheit eines Einhorns (das sich der Sage nach nur von einer Jungfrau fangen läaat) und durch die Mondsichel betont wird. Das Mondsichelamulett der bekleideten Venus in Botticellis Primavera steht in dieser ikonographischen Tradition und formuliert demnach einen Anspruch auf keusche Liebe. |
3. Komposition mit Format, Gestaltungsregeln sowie Hauptbewegungslinien |
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4. Farbe mit den Schwerpunkten: Farbauftrag, Kontraste sowie psychologischer Wirkung |
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5. Verbindung zur Zeit, zum Stil sowie zur Epoche |
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5. Weblinks |
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Leider lautet das ewig währende Problem, dass ein Link auf die nicht ganz Großen gesetzt, morgen schon nicht mehr so aktuell, erreichbar, verbindlich und/oder vorhanden ist - also: für das nachfolgend Aufgezeigte gibt's keine Garantien für die Ewigkeit ;-) |
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... und so sehen das die Biologen ;-) |
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