1.1. Zur Geschichte der Schrift sowie der Schriftträger history menue Letztmalig dran rumgefummelt: 11.04.06 14:50:08

KÖRPER UND STIMME LEIHT DIE SCHRIFT DEM STUMMEN GEDANKEN. DURCH DER JAHRHUNDERTE STROM TRÄGT IHN DAS REDENDE BLATT

SCHILLER

Eine der höchsten Tugenden guter Typografie ist ihre unaufdringliche Eleganz.

  1. Ordnungssystem zur Schriftentwicklung
  2. Vorstufen der Schrift
  3. Ideenschrift
  4. Wortbildschrift
  5. Wortlautschrift
  6. Lautschrift
  7. Zusammenfassende Übersicht
  8. Römische Kapitalis
  9. Unzialschriften
10. Karolingische Minuskel
11. Schriften in Deutschland und Italien
12. Schriftträger
  • die Schrift ermöglicht uns, unsere Gedanken und das gesprochene Wort festzuhalten - sie ist ein "Gefäß der Sprache"
  • sie ist wie die Sprache ein Mittel der Verständigung und Mitteilung der Menschen
  • schon auf einer sehr frühen Stufe ihrer Entwicklung haben die verschiedenen Schriften, vor allem in ihrer Anwendung in der Architektur und Buchkunst, eine künstlerische Bedeutung gewonnen
  • ist ein bedeutender kultureller Faktor geworden und besitzt Formwerte
  • der künstlerischen Schrift kommt in unserer Zeit in der Werbung, vor allem aber in der politischen Agitation eine große Bedeutung zu
  • jede Schriftaufgabe ist auch bei bescheidenstem Umfang eine Gestaltungsaufgabe
Alle heute in den europäischen Ländern gebräuchlichen Schriften wurden auf der Grundlage der phönikischen Zeichen entwickelt - übrigens auch die kyrillischen Schriftzeichen. Über Griechenland kamen die Buchstabenformen nach Rom, wo das noch jetzt verwendete Alphabet entstand. Im 9. Jahrhundert finden wir die erste Kleinbuchstabenschrift, aus der getrennt voneinander in Deutschland und Italien die deutsche und die lateinische Schrift hervorgingen. In der Renaissance erreichte mit der Erfindung des Buchdrucks die Entwicklung der Schrift im wesentlichen einen Stand, der durch alle Stilepochen hindurch in den Grundelementen erhalten blieb.


1. Ordnungssystem zur Schriftentwicklung history menue scroll up
Schriften entwickelten sich in Abhängigkeit von zwei wesentlichen Faktoren:
  • der gesellschaftlichen Ordnung sowie ihrer Produktivität und damit Kreativität sowie ihrem Bedürfnis nach Wissensvermittlung
  • den technischen Träger- und Schreibwerkzeuge, welche erheblichen Einfluss auf die Möglichkeiten der Schriftgestaltung sowie den Duktus nehmen

Übersicht zur Schriftentwicklung

Entwicklung der Schrift nach E. Hering

Entwicklung der Schriftarten

Entwicklung der Form einiger Zeichen unseres heutigen Alphabets - siehe dazu auch hier

Entwicklung des Buchstaben "E" bis zu unserem heut' gebräuchlichen Zeichen- siehe dazu auch hier

ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ

abcdefghijklmnopqrstuvwxyz

0123456789

Das ist die heute noch gebräuchliche Garamond-Satzschrift aus dem Jahre 1540

Die nachfolgenden Materialien werden mit freundlicher Genehmigung durch Christian Hanke (www.christianhanke.de) verfügbar gemacht und sind ausschließlich zur Unterrichtsarbeit am Pufendorf-Gymnasium gebunden. Verwendung und Weitergabe nur Genehmigung des Autors.

Arbeitsblatt Geschichte der Schrift

Geschichte der Schrift

Schriftbegriffe

Schrifttypen

Schriftschnitte und -grade

 


2. Vorstufen der Schrift history menue scroll up

Schon sehr früh in der Geschichte der Menschen finden wir die ersten Versuche, das gesprochene Wort festzuhalten. Es sind zunächst Bildzeichen für Gegenstände der Außenwelt, die jeder „lesen" konnte, Zeichnungen, die wahrscheinlich einem Jagdzauber dienten oder Hinweise für Jäger waren. Keineswegs sind das jedoch Bilderschriften, es sind nur Vorstufen des Schreibens.

Abbildung 2: Pferd - nach einer Höhlenzeichnung aus Südfrankreich


3. Ideenschrift history menue scroll up
Aus dem Streben nach einer vereinfachten Form der Mitteilung wurden die Bilder in der späten Urgemeinschaft zu Ideenzeichen vereinfacht, deren Formen und Symbole vorerst noch nicht festgelegt waren. Sie bedeuteten nicht nur Wörter, sondern Ars auch Gedanken und Sätze.

Abbildung 3: Grabstein eines Indianers


4. Wortbildschrift history menue scroll up

Eine Weiterentwicklung dieser Ideenschrift zeigte sich erst in der Sklavenhaltergesellschaft, als der staatliche Macht- und Verwaltungsapparat eine bessere Nachrichtenübermittlung und eine entsprechende Schrift erforderte. Im Zuge der politischen und ökonomischen Entwicklung entstanden so vor etwa 6000 Jahren fast gleichzeitig bei Ägyptern und Sumerern (Mesopotamien) Wortbildschriften, in denen die Ideenzeichen zu bildlichen Darstellungen vereinfacht waren, zu einem Zeichen für jeweils ein Wort.

Abbildung 4: Mit Merkzeichen bemalte Kiesel aus südfranzösischen Höhlen


5. Wortlautschrift history menue scroll up

Zur Erleichterung des Lesens und Schreibens wurde die Zahl dieser Zeichen allmählich reduziert, indem man für gleich klingende Wörter ein gemeinsames Zeichen benutzte.
Beispiel:


6. Lautschrift history menue scroll up

Im Prozess dieser Phonetisierung begannen die Semiten im 16. Jahrhundert v. u. Z. die Worte zuerst nach Silben, dann nach Lauten aufzuschreiben. Für jeden Laut wurde ein besonderes Zeichen festgelegt, insgesamt 22. Die weitere Veränderung des Lautalphabets durch Phönizier und Griechen erfolgte in einer Entwicklung, die sich über Jahrtausende hinzog.
Beispiel:


7. Zusammenfassende Übersicht zu den frühen Schriften history menue scroll up

Zu den ältesten uns bekannten Schriften gehören:
  • die ägyptischen Hieroglyphen,
  • die mesopotamische Keilschrift,
  • die semitischen Schriften,
  • die heute noch gebräuchliche Schrift Chinas (Abbildung 5)

Abbildung 5: Chinesische Schrift - Glückssymbol für langes Leben

Mit Ausnahme der chinesischen Schrift bilden sie die Grundlage für die heute in Europa angewandte Schrift. Der Weg unserer Buchstaben führt von der Wortbildschrift der Ägypter  (Abbildung 6) zur Lautschrift der Semiten  (Abbildung 8), die von den Phöniziern übernommen wurde.

Abbildung 6: Ägyptische Hieroglyphen

Es ist anzunehmen, dass bei der Schriftformung auch die mesopotomische Keilschrift eingewirkt hat  (Abbildung 7). Mit dem Handel brachten die Phönizier auch ihre schneller schreibbare Schrift nach Griechenland  (Abbildung 9), wo sie eine weitere Umwandlung erfuhr und wo sich vor allem ihre klaren geometrischen Formen herausbildeten, in denen schon Grundformen unserer Großbuchstaben sichtbar werden.  (Abbildung 10)

Abbildung 7: Mesopotamische Keilschrift

Abbildung 8: Semitische Schrift

Im Laufe der Zeit erhielten manche Laute andere Zeichen, wurden verschiedene Schriftzeichen hinzugefügt und andere weggelassen. So entstand nach und nach das heute noch gültige Alphabet.

Abbildung 9: Frühe phönikische Schrift

Abbildung 10: Griechische Kapitale aus dem 3. Jh v. u. Z.

Abbildung 11: Griechischer Schreiber


8. Römische Kapitalis history menue scroll up

 
mehr zur Kapitalis sowie deren geometrischer Konstruktion gibt's hier
Die Buchstaben erreichten um die Zeitwende in der römischen Kapitalis eine unübertroffene Schönheit (Abbildung 13), und es ist erstaunlich, wie sich bis auf die heutige Zeit alle Schreibmeister auf diese ausgewogenen Schriftformen orientieren, die wir als Höhepunkt der viel tausendjährigen Schriftentwicklung ansehen können.
Aus dieser Zeit stammen außer der in Stein gemeißelten Form zwei weitere Formen der Kapitalis, die man auf Pergament oder Papyros schrieb: Die Kapitalis quadrata (Abbildung 14), die neben den späteren Schriften bis in das 10. Jahrhundert hinein in den Prachthandschriften für Kapitelanfänge und Initialen zu finden ist.
Die Kapitalis rustica (Abbildung 16), die sich flüssiger schreibt, weil die Schreibhaltung durch den steilen Ansatzwinkel der Feder zur Schreiblinie bequemer ist, und deshalb weite Verbreitung fand. Als häufig verwendete Auszeichnungsschrift finden wir sie noch bis in das 11. Jahrhundert hinein.
Neben diesen Buchstaben wurden zu allen Zeiten „Gebrauchsschriften" für den täglichen Verkehr verwendet, die Kursivschriften (Abbildung 15). Wie schon aus dem Namen hervorgeht, der „Laufende" bedeutet, handelt es sich um vereinfachte, durch schnelles Schreiben entstandene Buchstabenformen, die auch Einfluss auf die Buchschriften gewannen. Schon hier bahnte sich die Entwicklung der Kleinbuchstaben an.

Abbildung 12: Holzschnitt aus dem 15. Jh.

Abbildung 13: Klassische römische Kapitale aus dem 1. Jh.

Abbildung 14: Quadrata aus dem 4. Jh.

Abbildung 15: Römische Kursive aus dem 2. Jh.

Abbildung 16: Rustika aus dem 4. Jh.

In der größten Ausdehnung des Römischen Reiches wurden auch viele Schriftzeichenformen geprägt, deren Wurzeln jedoch im Phönikischen liegen
Während der Herrscherepoche der Römer bilden sich zwei Schriften heraus, von deren Stil unsere Schriftgestaltung bis heut' geprägt worden ist:
  • die Stein gemeißelte Schrift
  • die Kursive als schnelle Schreibschrift - so zu sagen eine Art Graffity der Antike


9. Unzialschriften history menue scroll up

 
 
 
 

Abbildung 17: Unziale aus dem 4. Jh.

Abbildung 18: Unziale aus dem 4. Jh.


10. Unzialschriften history menue scroll up

 
 
 
 

Abbildung 17: Unziale aus dem 4. Jh.

Abbildung 18: Unziale aus dem 4. Jh.


11. Unzialschriften history menue scroll up

 
 
 
 
 
 


12. Schriftträger history menue scroll up

 
Papyrus
Pergament
Papier  und Holzschliff-Papier

vor 150 Jahren erschien die erste Zeitung auf Holzschliffpapier

Druckpressen in Frankenberg erhalten - Wespen lieferten Idee für neuen Rohstoff

Wespen fliegen zu einem Holzschindeldach, nagen feinste Teilchen ab und fertigen daraus ein Nest an. Das Material fühlt sich an wie hauchdünnes, leicht brüchiges Papier Dieses Naturschauspiel ist nicht nur für Fachleute ein kleines Wunder aus der Welt der Tiere.
Für den in Hainichen (Kreis Mittweida) geborenen Friedrich Gottlob Keller war diese Beobachtung im Jahre 1843 aber weit mehr. Bei seiner Suche nach einem neuen Rohstoff für die Herstellung von Papier wiesen die Wespen ihm den Weg. Nach mühseligen Versuchen gelang es ihm schließlich, mit einem eigens dafür gebauten Schleifstein einige Holzscheite mit Hilfe von Wasser zu einem Holzbrei zu verarbeiten. In einer Papiermühle in Altchemnitz ließ er sich unter Beimischung von Hadernstoff sein erstes Papier schöpfen
Vor rund 150 Jahren war es dann soweit: In Frankenberg erschien am 11. Oktober 1845 mit dem "Intelligenz- und Wochenblatt für Frankenberg mit Sachsenburg und Umgebung" die weltweit erste auf Holzschliffpapier gedruckte Zeitung. Ein Rohstoff war entdeckt, ohne den auch der moderne Zeitungsdruck heute nicht auskommt.
Langsam fährt Johannes Roßberg, bis 1992 Druckereibesitzer in Frankenberg, den Karren mit den beiden Papierseiten unter den Drucktiegel und lässt diesen mit der nötigen Sorgfalt, aber auch Kraft herunter. "Vor 150 Jahren hat mein Urgroßvater an dieser Presse beim ersten Druck auf Holzschliffpapier die gleichen Handgriffe getan", kommentiert er seine Demonstration. Die funktionstüchtige Zweizugpresse (gebaut Mitte des 17.
Jahrhunderts) ist Teil seines kleinen Museums im Hinterzimmer seines Ladens in Frankenberg. Zu sehen sind zahlreiche Stücke aus der Papiergeschichte und der Buchdruckerkunst.
Die Bewahrung der Historie seines Handwerks liegt dem Ruheständler am Herzen. Auch durch die Tradition fühlt er sich dazu verpflichtet: Urgroßvater Carl Gottlob Roßberg hatte sich schon 1842 mit einer Druckerei in der Stadt an der Zschopau angesiedelt und das Wochenblatt herausgegeben. Nach dem zweiten Weltkrieg kam für das
mehr als 100 Jahre erschienene "Frankenberger Tageblatt" das Aus. Die Buchdruckerei konnte Johannes Roßberg "auf Sparflamme" durch die DDR-Zeit fortführen.
Eines stimmt den Roßberg-Urenkel allerdings nachdenklich: "Der Bedeutung der Erfindung des Holzschliffpapiers von Keller wird vor allem auch in Fachkreisen zuwenig Beachtung geschenkt." Ein umfangreicheres Druckereimuseum, bestückt auch mit alten Pressen und den verschiedensten Arbeitsutensilien aus dem eigenen Bestand, kann sich Johannes Roßberg in seinen ehemaligen Betriebsräumen vorstellen. Was ihm fehlt, ist ein finanzkräftiger Partner.
Die Geburtsstadt von Friedrich Gottlob Keller hat Anfang des Jahrhunderts auch seinem zweiten berühmten Sohn - der Fabeldichter Christian Fürchtegott Gellert ist gleichfalls in Hainichen geboren - ein Denkmal gesetzt. Der Berliner Bildhauer Arnold Künne hatte dazu einen Brunnen mit Büste und Reliefdarstellungen geschaffen.
Gestorben ist der Erfinder des Holzschliffpapiers vor 100 Jahren am 8. September in Krippen/Elbe.
Im Anschluss an Lehre und Wanderschaft hatte Keller in Hainichen in der Werkstatt seines Vaters als Weber und Blattbinder gearbeitet. Nach seiner bedeutendsten Erfindung zog er 1845 nach Kühnheide, wo ihm allerdings der Versuch misslang, die von ihm gekaufte Papiermühle auf die Holzpapierproduktion umzustellen. Der Fabrikant
Heinrich Voelter übernahm in den Folgejahren Kellers Idee und entwickelte die Holzschliffherstellung und die erforderlichen Maschinen bis zur Großproduktion weiter. Damit war der Grundstein zur Herstellung von Papier als Massenware vor allem für Zeitungen gelegt.
Auf das Konto von Friedrich Gottlob Keller gehen aber noch wesentlich mehr Projekte und Erfindungen. Dabei reicht die Liste vom Schwarzpergament aus Schieferpulver über einen Schiefer- und Bleistiftspitzer bis zum Schiffschaufelrad mit beweglichen Schaufeln.

Von unserem Redaktionsmitglied Reinhard Oldeweme



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