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Karthago,
berühmte Stadt der Antike an der nordafrikanischen Mittelmeerküste,
nordöstlich der heutigen Stadt Tunis auf einer Halbinsel im Golf von Tunis
gelegen; heute die Ruinenstätte Carthage.
Der Sage nach soll Karthago von der Königin Dido gegründet worden sein;
tatsächlich wurde sie laut antiken Quellen 814 v. Chr., vermutlich aber erst
etwas später von Phöniziern aus Tyros gegründet; die ältesten
archäologischen Funde aus Karthago lassen sich auf die zweite Hälfte des 8.
Jahrhunderts v. Chr. datieren. Die Phönizier nannten die Stadt Kart-Hadascht,
„Neustadt”, vermutlich in Abgrenzung zum benachbarten Utica, der „Alten
Stadt”.
Der Grund für das phönizische Vordringen nach Westen dürfte zum einen in der
Suche nach Metallen (Eisen, Zinn, Blei, Gold, Silber) gelegen haben. Zum
anderen war nach dem Niedergang des Reiches von Mykene und seiner
dominierenden Handelsflotte (ägäische Kultur) um 1100 v. Chr. ein Vakuum
entstanden, das die Phönizier zu schließen suchten.
AUSDEHNUNG DER HERRSCHAFT
Reich der Karthager Ab dem 7. Jahrhundert v.
Chr. dehnte Karthago seine Herrschaft im westlichen Mittelmeer sukzessive
aus: über die nordafrikanische Küsten, den Südosten der Iberischen
Halbinsel, die Balearen, Korsika, Sardinen, Sizilien und Malta. Infolge des
1. Punischen Krieges (264-241 v. Chr.) verlor Karthago Korsika, Sardinen und
Sizilien an Rom; nach dem verlorenen 2. Punischen Krieg (218-201 v. Chr.)
verblieb Karthago lediglich ein Teil seines nordafrikanischen
Herrschaftsbereiches, und der 3. Punische Krieg (149-146 v. Chr.) endete
schließlich mit der vollständigen Zerstörung Karthagos.
Die ersten zwei Jahrhunderte ihres Bestehens blieb die Stadt Karthago noch
von ihrer Mutterstadt Tyros abhängig, schwang sich aber bereits im 7.
Jahrhundert v. Chr. dank ihrer strategisch günstigen Lage an der engsten
Stelle des Mittelmeeres und seines hervorragenden Hafens zur Führungs- und
Schutzmacht der phönizischen Kolonien im westlichen Mittelmeer auf. Als
Phönizien im 6. Jahrhundert v. Chr. unter persische Herrschaft kam, löste
Karthago das Mutterland vollends in der Führungsrolle innerhalb der
phönizischen Welt ab. Libysche Stämme im Umland und ältere phönizische
Kolonien wurden unterworfen; die Bevölkerung dort musste jedes Jahr Tribute
abliefern und Kriegsdienst leisten. Im 5. Jahrhundert v. Chr. erstreckte
sich der Einfluss Karthagos über die phönizischen Kolonien an der
nordafrikanischen Küste von der Großen Syrte bis zur Straße von Gibraltar,
auf die südspanische Mittelmeerküste, auf die Balearen, auf Korsika,
Sardinien, Sizilien und Malta. Die Karthager galten neben den Griechen als
die besten Seeleute des Mittelmeeres; um ihre kommerziellen Interessen
abzusichern, bauten sie eine Kriegsflotte auf und wurden dadurch zur
dominierenden Seemacht im westlichen Mittelmeer. Rom musste sich vertraglich
dazu verpflichten, das Mittelmeer westlich von Karthago deren Galeeren zu
überlassen. Aber auch alle anderen fremden Schiffe, die in dieses Gebiet
eindrangen, wurden versenkt.
Besonderes Augenmerk richtete Karthago auf die phönizischen Kolonien auf
Sizilien, das von außerordentlicher Bedeutung für die Sicherung der See- und
Handelswege nach Sardinien, Korsika und Spanien war.
Im 5. Jahrhundert v. Chr. unternahm der karthagische Admiral Hanno auf der
Suche nach Gold eine Seereise entlang der nordafrikanischen Atlantikküste
und hielt seine Entdeckungen in einem später ins Griechische übersetzten
Bericht fest. Durch eine monopolartige Stellung als Handels- und Seemacht im
nordafrikanischen und westlichen Mittelmeerraum konnten die Karthager ihre
Siedlungen und Eroberungen ausdehnen und bauten ein weit verzweigtes
Handelsimperium auf. Zu ihren wirtschaftlichen Unternehmungen gehörten der
Silber- und Bleibergbau, die Verarbeitung von Holz aus dem Atlasgebirge, die
Herstellung einfacher und billiger Keramik-, Schmuck- und Glaswaren, die
Ausfuhr exotischer Tiere aus Afrika und der Export von Sklaven, Obst,
Nüssen, Elfenbein und Gold. Über die phönizischen Handelssitten berichtet
der griechische Geschichtsschreiber Herodot. Man nimmt an, dass Kaufleute
aus Karthago auf der Zinnstraße bis nach Cornwall (England) gelangten. Im 4.
und 3. Jahrhundert v. Chr. häufte sich in Karthago ein enormer Reichtum an,
dessen Basis Handelsprofite, Tribute und Zolleinkünfte waren. Karthago galt
als reichste Stadt des Mittelmeerraumes. Hier lebten bis zu einer halben
Million Einwohner, zum Teil in Hochhäusern. Die Stadt wurde von einer rund
30 Kilometer langen Mauer umschlossen und besaß eine Zitadelle.
Die meisten Artefakte, die aus dieser frühen Periode erhalten sind, sind
Nachbildungen ägyptischer, griechischer und phönizischer Arbeiten. In
schriftlicher Form sind neben dem erwähnten Seefahrtshandbuch von Hanno nur
landwirtschaftliche Werke überliefert, so dass über Alltagsleben,
Staatsorganisation oder Sprache des frühen Karthago nur wenig bekannt ist.
Zu den religiösen Praktiken gehörten Menschenopfer für die Hauptgottheiten
Baal und Tanit, später nahm man Kulte um die griechische
Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, die Totengöttin Persephone und die römische
Göttin Juno in die Religion auf.
Hauptgegner Karthagos im westlichen Mittelmeerraum, vor allem in Sizilien
und Spanien, waren lange Zeit griechische Kolonisten. Gegen die Griechen
schloss Karthago Bündnisse mit den Etruskern, später mit den Römern. Die
Auseinandersetzungen mit den Griechen, die im 6. Jahrhundert v. Chr.
begannen, drehten sich um die Herrschaft über Sizilien, das ungefähr 160
Kilometer nördlich von Karthago lag und eine günstige Zwischenstation
zwischen Nordafrika und Italien bildete. Darüber hinaus galt Sizilien zur
damaligen Zeit als reiche Kornkammer. Ihre erste Niederlage innerhalb der
Auseinandersetzungen um Sizilien musste Karthago 480 v. Chr. hinnehmen, als
die Truppen unter General Hamilkar (5. Jahrhundert v. Chr.) von Gelon, dem
sizilianischen Tyrannen von Gela und Syrakus, besiegt wurden. Weitere
Versuche der Karthager, Sizilien zu erobern, wurden unter Dionysios dem
Jüngeren, Dionysios dem Älteren, Agathokles und Pyrrhos, König von Epirus,
zurückgeschlagen. Doch selbst nach ihrer letzten Niederlage 276 v. Chr.
besaßen die Karthager noch immer Gebiete auf Sizilien.
Rom, die erstarkende Landmacht, und die Seemacht Karthago waren
traditionelle Bündnispartner, zuletzt im Kampf gegen König Pyrrhos. Doch im
3. Jahrhundert v. Chr. fühlte sich Rom stark genug, den bislang
übermächtigen Konkurrenten Karthago auszuschalten. Die Römer wechselten die
Seiten und Bündnispartner: Auf Sizilien intervenierten sie zugunsten der
Griechen und gegen Karthago. Außerdem sah sich Rom gezwungen, über Nacht
eine Seemacht zu werden und konnte auf diesem Gebiet schon bald erstaunliche
Erfolge erzielen. Dagegen litt die karthagische Kriegsführung unter der
Sparsamkeit einer Staatsführung, die von Kaufleuten dominiert wurde. Die
Punischen Kriege führten letztlich zum Untergang Karthagos als phönizischer
Stadt.
DIE PUNISCHEN KRIEGE
Bedeutendste Persönlichkeit im 1. Punischen
Krieg (264 bis 241 v. Chr.) war auf römischer Seite Regulus, auf
karthagischer Seite General Hamilkar Barkas, der nach seiner Niederlage in
Sizilien in Südspanien einfiel, um die dortigen reichen Erzvorkommen in
seine Hand zu bekommen. Sein Schwiegersohn Hasdrubal und sein Sohn Hannibal
führten seine Eroberungszüge fort. Nach dem römischen Seesieg 241 v. Chr.
trat Karthago seine Gebiete auf Sizilien an Rom ab, später auch Sardinien
und Korsika. Darüber hinaus wurde Karthago zur Zahlung von harten Tributen
verpflichtet und musste alle Handelsbeschränkungen für Rom außer Kraft
setzen. Der so genannte Ebrovertrag legte diesen Fluss als Grenze zwischen
den Einflussgebieten Roms und Karthagos fest.
Nachdem Karthago 219 v. Chr. das mit Rom verbündete Sagunt zerstört hatte,
erklärten die Römer Karthago den 2. Punischen Krieg (218-201 v. Chr.), in
dessen Verlauf Hannibal von Spanien Richtung Osten entlang der Nordküste des
Mittelmeeres marschierte und die Alpen nach Italien überquerte. Die
Karthager konnten Rom schwere Niederlagen (so in der Schlacht von Cannae)
beibringen, doch die Mittel reichten nicht aus, um die Römer nachhaltig in
die Knie zu zwingen. Nach Hannibals endgültiger Niederlage durch Scipio
Africanus den Älteren in der Schlacht bei Zama verlor Karthago das reiche
Spanien und alle anderen außerafrikanischen Besitzungen. Darüber hinaus
musste Karthago seine Kriegsflotte an Rom ausliefern und 50 Jahre lang
Tribute zahlen. Der Sieg verschaffte Rom enorme materielle Mittel, die zum
Teil für die weitere Expansion genutzt wurden. Er bestätigte die Hegemonie
Roms über ganz Italien und führte zu einem enormen Aufschwung des Handels.
Im 3. Punischen Krieg (149-146 v. Chr.) machten die Römer unter Scipio
Africanus dem Jüngeren die Stadt Karthago dem Erdboden gleich, wie es der
konservative römische Staatsmann Cato der Ältere, der selbst gegen Hannibal
gekämpft hatte, immer wieder gefordert hatte. Überlebende wurden zu Sklaven
gemacht. Damit verschwand eine der bedeutendsten Handelsmächte der Antike
von der welthistorischen Bühne.
DAS RÖMISCH-CHRISTLICHE KARTHAGO
122 v. Chr. wurde die Stadt im Rahmen der
Schaffung einer Kolonie in Afrika neu gegründet, bestand jedoch nur 30 Jahre
lang. 46 v. Chr. besuchte Julius Caesar Karthago und verfügte, dass hier
wieder eine Stadt errichtet werden solle. Diese Absicht realisierte der
römische Kaiser Augustus, unter dessen Herrschaft die Stadt 29 v. Chr. als
Colonia Iulia Carthago wiedererstand, sich während der römischen Kaiserzeit
wieder zu einem bedeutenden Ort und später zu einem Zentrum des Christentums
entwickelte. Seit Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. gab es hier einen eigenen
Bischof. Die frühchristliche Kirche war eng mit Karthago verbunden, so der
heilige Cyprianus, der dort 248 Bischof war, der christliche Schriftsteller
Tertullian, der dort im 3. Jahrhundert lebte und arbeitete, und nicht
zuletzt der heilige Augustinus, der im frühen 5. Jahrhundert im
nahegelegenen Hippo Regius Bischof war. Während seiner römisch-christlichen
Periode war Karthago das Verwaltungszentrum der Provinz Africa und zugleich
wichtiger Exporthafen für Getreide, Wildtiere und Edelsteine; ein über 100
Kilometer langes Aquädukt versorgte die Stadt mit Wasser.
425 wurde Karthago befestigt, um feindlichen Angriffen standzuhalten.
Dennoch wurde die blühende Stadt 439 von dem Vandalenkönig Geiserich
eingenommen, der sie zu seiner Hauptstadt machte. Geiserichs Flotte wurde
zum Schrecken des Mittelmeers, Geiserich selbst galt als einer der
mächtigsten Männer seiner Zeit. Unter seinen Nachfolgern verfiel das
germanische Reich im heißen Afrika, und Ostrom setzte alle Hebel in
Bewegung, um es niederzuringen. 533 eroberte der byzantinische General
Belisar die Stadt und gab ihr den Namen Colonia Justitiana Carthago, zu
Ehren des byzantinischen Kaisers Justinian I. Danach blieb die Stadt Teil
des Byzantinischen Reiches, bis sie 697 von den Arabern eingenommen und ein
weiteres Mal zerstört wurde. Im späten 19. und im 20. Jahrhundert fanden in
Karthago archäologische Ausgrabungen statt, bei denen Gegenstände und
Gebäude aus der punischen, römischen, byzantinischen und vandalischen Epoche
freigelegt wurden, darunter einige der prächtigsten und am besten erhaltenen
Bodenmosaiken des 3. und 4. Jahrhunderts n. Chr.
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