 |
Rubens, Peter Paul
(1577-1640), flämischer Maler, bedeutendster Repräsentant des flämischen
Barock. Rubens wurde 1577 in Siegen (Westfalen) als Sohn eines Antwerpener Juristen
geboren, der als Reformierter in Deutschland Schutz vor religiöser
Verfolgung suchte. Nach dem Tod des Vaters (1587) kehrte die Familie zum
Katholizismus und in die Heimat zurück.
Rubens wurde von den Manieristen Tobias Verhaecht, Adam van Noort und Otto
van Veen ausgebildet und 1598 Freimeister der Antwerpener Malergilde.
Entscheidend für seine künstlerische Entwicklung war ein Italienaufenthalt
von 1600 bis 1608. Rubens trat in den Dienst des Herzogs Vincenzo Gonzaga
von Mantua, der ihn mit lukrativen Aufträgen betraute und ihm das Studium
der italienischen Meister in zahlreichen Städten des Landes ermöglichte.
1603/04 sandte er ihn in diplomatischer Mission an den spanischen Königshof
in Valladolid. Besonderen Einfluss auf den jungen Künstler gewannen die
Werke des venezianischen Frühbarock (Tizian, Veronese, Tintoretto) sowie die
Malerei Caravaggios und der Brüder Carracci in Rom. Dies wird deutlich bei
dem 1603 geschaffenen Reiterbildnis des Herzogs von Lerma, dem Altarbild für
Santa Trinità in Mantua (1604/05) und anderen Arbeiten dieser Periode, wie
dem Bildnis der Marchesa Brigida Spinola Doria (1605/06, National Gallery of
Art, Washington) und der Anbetung der Könige (um 1609, Prado, Madrid).
1608 kehrte Rubens nach Antwerpen zurück und vermählte sich 1609 mit
Isabella Brant. Im selben Jahr avancierte er zum Hofmaler des spanischen
Statthalterpaares in den Niederlanden und begann eine rasch expandierende
Werkstatt aufzubauen. Bedeutende Werke der mittleren, fruchtbarsten
Schaffensphase von 1612 bis 1625 waren das Doppelbildnis Der Maler mit
Isabella Brant in der Geißblattlaube (um 1609/10, Alte Pinakothek, München),
der Kreuzaufrichtungsaltar (1610/11) und der Kreuzabnahmealtar (1612-1614)
für die Kathedrale von Antwerpen, zwei Versionen des Jüngsten Gerichts (um
1620, Alte Pinakothek, München), der Raub der Töchter des Leukippos (um
1618, ebenda) und die Amazonenschlacht (vor 1619, ebenda). 1622 bis 1625
entstand ein 21 Bilder umfassender Zyklus allegorischer Darstellungen im
Auftrag der französischen Königin Maria de’ Medici im Palais du Luxembourg
in Paris (Geschichte der Maria de’ Medici, Skizzen in der Alten Pinakothek,
München). Er stellt nicht nur das zentrale Werk dieser Jahre dar, sondern
gilt darüber hinaus als Höhepunkt der politisch-allegorischen Malerei.
Weitere bedeutende Arbeiten waren eine Serie von Jagdszenen für den
Kurfürsten Maximilian I. von Bayern (um 1615, Alte Pinakothek, München) und
die Geschichte des Decius Mus im Auftrag Genueser Patrizier (1617, Sammlung
Fürst Liechtenstein, Vaduz). Rubens war mittlerweile ein wohlhabender
Künstler von europäischem Rang, der sich ein Palais im italienischen Stil
sowie eine umfangreiche Kunst- und Antiquitätensammlung leisten konnte.
1625 führte ihn ein diplomatischer Auftrag erneut an den spanischen Hof, wo
er mit dem jungen Diego Velázquez zusammentraf und sein Mentor wurde. Im
selben Jahr entstanden die Himmelfahrt Mariä für die Antwerpener Kathedrale
und das Bildnis der Frau mit Paillettenhut. Mit dem Tod seiner ersten Frau
1626 ist zugleich der Beginn der letzten Schaffensperiode anzusetzen, in der
er seine lebendige und expressive Malweise zu höchster Meisterschaft führte.
Neben hoch dotierten Auftragsarbeiten für verschiedene Herrscherhäuser, wie
der Ausstattung des Jagdschlosses Torre de la Parada bei Madrid (1636-1638,
heute u. .a. in Madrid und in den Musées des Beaux-Arts, Brüssel), schuf
Rubens zahlreiche Landschaftsbilder, Bukolika, Darstellungen mythologischer
Sujets und Familienbildnisse.
1630 heiratete er Hélène Fourment (Hélène Fourment mit ihren Kindern,
1636/37, Louvre, Paris) und residierte in seinen letzten, von einer
Gichterkrankung beschwerten Lebensjahren überwiegend auf seinem Landschloss
Steen bei Mecheln. Er starb dort am 30. Mai 1640.
Rubens’ kunsthistorische Bedeutung resultiert in erster Linie aus seiner
Auffassung des weiblichen Schönheitsideals, das er mit plastischer
Körperlichkeit und nuancenreichem Inkarnat in einer bislang nicht gekannten
Sinnlichkeit und Unmittelbarkeit darstellte. Auch bei anderen Motiven
überwogen ein vitaler Pinselduktus und leuchtende, flüssig aufgetragene
Farben, die vor allem die flämische, französische und englische Kunst
nachhaltig beeinflussten. Insbesondere das höchst differenzierte Kolorit
wirkte vorbildlich auf Antoine Watteau und Eugène Delacroix sowie auf die
englische Porträtkunst des 18. Jahrhunderts (Reynolds, Gainsborough).
Typische Werke der Spätphase, in der diese Charakteristika voll entwickelt
waren, sind u. a. Der Liebesgarten (um 1633, Prado), Das Urteil des Paris
(um 1635 bis 1637, National Gallery, London), Das Pelzchen (1635-1640,
Kunsthistorisches Museum, Wien) und Die drei Grazien (um 1636 bis 1838,
Prado). Neben den schätzungsweise 600 Werken, die von Rubens’ eigener Hand
stammen, existieren um die 3 000 Gemälde aus seiner Antwerpener Werkstatt,
in der er nicht nur Schüler (darunter 1617-1620 Anthonis van Dyck), sondern
auch selbständige Meister, wie Frans Snijders und
Jan Bruegel den Älteren, nach
seinen Entwürfen arbeiten ließ. Darüber hinaus sorgte er, ähnlich wie Tizian
und Raffael, für die massenhafte Verbreitung von Reproduktionen seiner
Gemälde als Kupferstich, Radierung oder Holzschnitt. Seine architektonischen
Studien publizierte er 1622 in der Schrift Palazzi di Genova (Paläste
Genuas, Nachdruck 1969). |